Förderstopp für den Abwasserzweckverband Götzenthal: Einstellung der Förderung von Ertüchtigung und Ersatzneubau von bestehenden Abwasserkanälen durch den Freistaat Sachsen

Mitteilung des Abwasserzweckverbandes Götzenthal, Verbandsvorsitzender Professor Dr. Lothar Ungerer, Bürgermeister Stadt Meerane (20.05.2021)

Der Vorgang.
Mit Schreiben vom 7. Mai 2021 erlässt das Sächsische Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft (Umweltministerium) gegenüber der Landesdirektion Sachsen und der Sächsischen Aufbaubank (SAB) die Weisung, dass die Förderung des Freistaates Sachsen für die Ertüchtigung und den Ersatzneubau von bestehenden Abwasserkanälen, die vor dem Jahr 1993 fertiggestellt wurden, ab sofort ausgesetzt wird. Diese Förderung ist in der Förderrichtlinie Siedlungswasserwirtschaft (RL SWW2016) geregelt.

Konkret wird die SAB angewiesen, ab dem 10. Mai 2021 keine Förderungen mehr zu gewähren. Betroffen sind davon auch Anträge, die vor dem 10. Mai 2021 zur Förderung eingereicht wurden. Ferner wurde die SAB angewiesen, keine Anträge auf Fördermittel mehr entgegenzunehmen, obwohl die Förderrichtlinie Siedlungswasserwirtschaft (RL SWW2016) weiterhin rechtskräftig ist. Betroffen ist der Fördergegenstand 2.3 der gültigen Förderrichtlinie:
„Ertüchtigung und Ersatzneubau von bestehenden Abwasserkanälen, soweit diese vor dem Inkrafttreten des Sächsischen Wassergesetzes vom 23. Februar 1993 am 13. März 1993 fertiggestellt wurden.“

Konkret wird die Landesdirektion Sachsen angewiesen, den Erlass den unteren Wasserbehörden zur Kenntnis zu geben, die ihn wiederum den gesetzlichen Aufgabenträgern der Abwasserbeseitigung zur Kenntnis zu geben haben. Die für den Abwasserzweckverband Götzenthal zuständige untere Wasserbehörde des Landkreises Zwickau hat dies am 19.05.2021 mit der Bitte um „Kenntnisnahme und Beachtung“ kommentarlos vollzogen.

Begründet wird die Einstellung der Förderung mit Geldmangel im Umweltministerium bzw. im Freistaat Sachsen. Es fehlen die Finanzmittel im Staatshaushalt.

Gesetzlicher Aufgabenträger der Abwasserbeseitigung sind nach dem Sächsischen Wassergesetz die Gemeinden. Es handelt sich um eine Pflichtaufgabe, die die Gemeinden zu erfüllen haben. Die Gemeinden können diese Pflichtaufgabe auf Körperschaften des öffentlichen Rechts übertragen. Die Stadt Meerane haben gemeinsam mit den Gemeinden Schönberg und Dennheritz im Rahmen einer kommunalen Zusammenarbeit ihre Abwasserbeseitigungspflichten auf den Abwasserzweckverband Götzenthal (AZV) übertragen. Die für den AZV zuständige Wasserbehörde ist die untere Wasserbehörde des Landkreises Zwickau.

Der AZV.
Der Erlass des Umweltministeriums vom 7. Mai 2021 erfolgte ohne Vorankündigung, mitten im laufenden Haushaltsjahr. Der Stil des Freistaates ist obrigkeitsstaatlich. Mit dem Förderstopp entzieht der Freistaat Sachsen den Kommunen erneut Geld und verschlechtert ihre Finanzausstattung. Er nimmt keine Rücksicht auf die abwasserbeseitigungspflichtige kommunale Ebene und deren gesetzliche Aufgabe.

Die gesetzliche Aufgabe.
Abwasser ist das durch häuslichen, gewerblichen, landwirtschaftlichen oder sonstigen Gebrauch in seinen Eigenschaften veränderte, in der Regel verschmutzte Wasser (Schmutzwasser) sowie das von Niederschlägen aus dem Bereich von bebauten oder befestigten Flächen gesammelt abfließende Wasser (Niederschlagswasser).
Abwasserbeseitigung umfasst u. a. das Sammeln, Fortleiten und Behandeln von Schmutzwasser. Dazu bedarf es abwassertechnischer Anlagen für die Ableitung (Kanalisation, Abwasserkanäle) und für die Behandlung von Abwasser (Kläranlagen).
Die Abwasserentsorgung und Reinigung dienen nicht nur den Bürgerinnen und Bürgern als Schutz vor Krankheiten, sondern schützen auch die Natur vor umweltschädigendem Abwasser.
Deshalb ist der AZV gesetzlich verpflichtet, seine Abwasseranlagen so zu errichten, zu betreiben und zu unterhalten, dass die hohen Anforderungen an die Abwasserbeseitigung eingehalten werden.
Die Abwasseranlagen müssen nach dem besten verfügbaren Stand der Technik sowie nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik errichtet, betrieben und unterhalten werden. Die Aufgabe ist wirtschaftlich und effizient zu erfüllen.

Die Qualität.
Ziel des Gewässerschutzes ist die Erreichung eines guten ökologischen Zustandes. Eine zentrale Aufgabe der Gewässerreinhaltung sind die Maßnahmen zur Abwasserableitung und Behandlung in einer Kläranlage.
Im Rahmen des Gewässerschutzes ist das Grundwasser ein wesentliches Element des Naturhaushaltes. Es ist Teil des Wasserkreislaufs und erfüllt wichtige ökologische Funktionen. Deshalb hat der AZV auszuschließen, dass z. B. durch Beschädigungen des Kanalnetzes in Form undichter Stellen Abwasser und damit wassergefährdende Stoffe direkt ins Grundwasser gelangen.

Das Abwasserkanalnetz und seine Erneuerung.
Der AZV hat in seinem Verbandsgebiet aktuell ein Abwasserkanalnetz mit einer Gesamtlänge von rund 120 Kilometern, mit dem das Schmutzwasser gesammelt und in die zentrale Kläranlage ins Götzenthal zur Behandlung geleitet wird.
Das Abwasserkanalnetz wurde im Verlauf des 20. Jahrhundert nach Inkrafttreten des (historischen) Sächsischen Wassergesetzes im Jahre 1909 entwickelt. Der AZV verantwortet seit 1995 für seine Mitgliedsgemeinden die kommunale Pflichtaufgabe der Abwasserbeseitigung und stand wie alle Abwasserzweckverbände in Sachsen von Anfang an vor der gewaltigen Aufgabe, ein in den 1990er Jahren vorgefundenes völlig desolates Abwassersystem in eine funktionierende Abwasserentsorgung umzubauen. „Wie damals überall in Sachsen genügten die maroden und überalterten Abwasseranlagen den neuen bundesdeutschen Anforderungen an den Gewässerschutz nicht mehr.“ (Thomas Schmidt, Sächsischer Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft, 2015).
Der Freistaat Sachsen unterstützte seit 1991 mit einer überzeugenden Fachförderung die Abwasserzweckverbände bei dieser Aufgabe.
Damit ist nun seit dem 7. Mai 2021 Schluss: Für die Ertüchtigung und den Ersatzneubau von bestehenden Abwasserkanälen, die vor 1993 fertiggestellt wurden, gibt es keine staatliche Förderung mehr.
Das bedeutet, dass die kommunalen Abwasserzweckverbände die noch vorhandenen maroden und überalterten Abwasserkanäle, z. B. aus DDR-Zeiten, ohne staatliche Unterstützung modernisieren müssen. Dies vor dem Hintergrund, dass es der Staat selbst war, der den Gemeinden mit ihren Zweckverbänden die Abwasserbeseitigung als gesetzliche Pflichtaufgabe verordnete. Mit dem Erlass des Umweltministeriums vom 7. Mai 2021 stiehlt sich der Freistaat Sachsen aus seiner Finanzverantwortung.
Wer eine solche Entscheidung trifft, muss sich darüber im Klaren sein, dass dadurch viele dringliche Maßnahmen der Kanalerneuerung verhindert werden. Es bleibt weiterhin eine erhebliche Herausforderung, den aus vor 1993 übernommenen Kanalbestand sukzessive zu sanieren und zu erneuern. Die Entscheidung, diesen wichtigen Fördergegenstand außer Vollzug zu setzen, ist auch eine Entscheidung gegen den Gewässer- und Umweltschutz.

Folgen für den AZV.
Mit dem Argument fehlender Haushaltsmittel verabschiedet sich der Freistaat überaus egoistisch aus der Finanzierung und drückt die Finanzierungsverantwortung zu 100 Prozent auf die Abwasserzweckverbände und letztlich auf die Bürgerinnen und Bürger als Gebührenzahler ab.
Der AZV hat gesetzmäßig am 26.11.2020 die Haushaltssatzung und den Wirtschaftsplan 2021 beschlossen, die von der Rechtsaufsichtsbehörde des Landkreises Zwickau bestätigt wurde.
Wichtiger Teil stellt das Investitionsprogramm 2021 dar (mit den Folgejahren 2022-2024).
Von dem Förderstopp des Freistaates Sachsen sind in diesem Haushaltsjahr sechs beschlossene Maßnahmen der Ertüchtigung und des Ersatzneubaus von bestehenden Abwasserkanälen betroffen.

Die dringlichen Maßnahmen haben einen Kostenaufwand von 2.477.000,00 Euro; die Förderung hätte 986.000,00 Euro betragen (Fördersatz rund 40 Prozent). Das bedeutet: Der AZV Götzenthal hätte bei Beibehaltung der Maßnahmen einen Mehraufwand von rund 1 Million Euro zu tragen. In Folge ergeben sich für den AZV grundsätzlich zwei Möglichkeiten:

  • Maßnahmen- und Baustopp
  • Weiterführung der Maßnahmen und höhere Zuführungen der Verbandsmitglieder oder Finanzierung durch Kreditaufnahme

Da der AZV seine Haushaltswirtschaft nach den Vorschriften für Eigenbetriebe führt, ist § 23 der Sächsischen Eigenbetriebsverordnung maßgebend. Danach ist ein laufender Wirtschaftsplan zu ändern, wenn für Zahlungen bzw. zum Ausgleich des Liquiditätsplanes höhere Umlagen oder (höhere) Kredite erforderlich werden.
Hinzu kommt das Risiko einer erheblichen Verschlechterung des Jahresergebnisses gegenüber dem Erfolgsplan.

Über den weiteren Fortgang entscheidet die Verbandsversammlung des AZV Götzenthal in einer außerordentlichen Sitzung am 02.06.2021.

Hinweis:
Mit Stand 20.05.2021 erfüllt der Verbandsvorsitzende des AZV Götzenthal seine gesetzliche Pflicht, die Verbandsversammlung sowie die Verbandsmitglieder über diese wichtige Angelegenheit zu informieren (§ 21 Abs. 4 KomZG).
Nachrichtlich erfolgt diese Information an die Rechtsaufsichtsbehörde und an die untere Wasserbehörde.

Kommentar:
Der Förderstopp des Umweltministeriums ist ein unglaublicher Vorgang mit skandalösen Zügen.

Die Unglaublichkeit begründet sich einerseits in der Art und Weise des staatlichen Handelns gegenüber den kommunalen Aufgabenträgern, d. h. ohne Vorankündigung und mittels eines obrigkeitsstaatlichen Erlasses über den Dienstweg. Skandalös ist die dadurch zum Ausdruck kommende mindere Wertschätzung des Staates gegenüber den Kommunen, die den Verwaltungsvollzug staatlicher Gesetze garantieren müssen.

Die Unglaublichkeit begründet sich andererseits in der Tatsache, dass ein Umweltministerium den Umweltschutz im Gewässerbereich vertritt, ohne künftig finanzielle Verantwortung zu übernehmen. Den Worten folgen keine Taten. Skandalös ist dabei, dass künftig allein die kommunalen Aufgabenträger mit den Bürgerinnen und Bürgern als Gebührenzahler für Schäden aufkommen müssen, die vor 1993 in den bestehenden Abwasserkanälen, z. B. während der DDR-Zeit, durch den Staat verursacht wurden.