Geleitwort der Stadt Meerane zum 27. Januar 2021, dem Tag des Gedenkens der Opfer des Nationalsozialismus

27. Januar 2021: Weitere fünf Stolpersteine in Meerane.

„Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.“


von Bürgermeister Professor Dr. Lothar Ungerer


Seit 1992 lebt das Projekt „Stolpersteine“ des Künstlers Gunter Demnig. In 1.265 Kommunen Deutschlands und in einundzwanzig Ländern Europas sind  Gedenktafeln aus Messing ins Trottoir eingelassen, die an das Schicksal von Menschen erinnern, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. Die Messingtafeln, in Handarbeit hergestellt, getragen von einem angegossenen Betonwürfel, werden vor dem letzten selbstgewählten Wohnort verlegt. In Deutschland sind über 75.000 Stolpersteine verlegt, die an die jeweiligen Schicksale der Menschen erinnern. Sie gelten als das größte dezentrale Mahnmal der Welt.
Anlässlich des Gedenktages an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar werden in unserer Stadt weitere fünf Stolpersteine verlegt.

Der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar ist in Deutschland seit 1996 ein bundesweiter, gesetzlich verankerter Gedenktag. Er ist als Jahrestag bezogen auf den 27. Januar 1945, den Tag der Befreiung der Konzentrationslager Auschwitz und Auschwitz-Birkenau. Der Gedenktag erinnert an alle Opfer während der Zeit des Nationalsozialismus: „Juden, Christen, Sinti und Roma, Menschen mit Behinderung, Homosexuelle, politisch Andersdenkende sowie Männer und Frauen des Widerstandes, Wissenschaftler, Künstler, Journalisten, Kriegsgefangene und Deserteure, Greise und Kinder an der Front, Zwangsarbeiter und an die Millionen Menschen, die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft entrechtet, verfolgt, gequält und ermordet wurden.“
(Bulletin Nr.10-1, Bundesregierung 27.01.2008)

Die neuen fünf Gedenktafeln aus Messing erinnern an die Schicksale von Frau Flora Ella Bauch, Frau Martha Lina Erben, Frau Anna Marie Funk, Herrn Gustav Kurt Marci und Herrn Martin Hochmuth. Ihre Schicksale wurden durch die Stadt Meerane dokumentiert, eine zentrale Voraussetzung, um die Gedenktafeln durch den Künstler anfertigen zu lassen.
Herr Martin Hochmuth wurde als politisch Andersdenkender und Widerständler ermordet. Die Frauen Flora Ella Bauch, Martha Lina Erben, Anna Marie Funk und Herr Gustav Kurt Marci wurden ermordet, da sie als Menschen mit Behinderung als „lebensunwert“ galten. Sie kamen über Zwischenstationen u.a. nach Pirna-Sonnenstein, eine von den Nationalsozialisten zur Tötungsanstalt von geistig kranken Menschen und von Menschen mit Behinderung umfunktionierte Heil- und Pflegeanstalt.

Ab 1939 wurden im Deutschen Reich im Rahmen der sogenannten T4-Aktion geistig und körperlich behinderte Deutsche ermordet. Obwohl die T4-Aktion im August 1941 offiziell abgebrochen wurde, ging die Ermordung durch Gift oder gezielten Hungertod weiter. Im Deutschen Reich fielen der Lebensvernichtung ca. 100.000 Menschen zum Opfer.
Die T4-Aktion wurde so genannt nach dem Sitz der zentralen Leitung der Lebensvernichtung in der Reichskanzlei Adolfs Hitlers unter Reichsleiter Philipp Bouhler, da das Programm der Lebensvernichtung die Folge eines Führererlasses war, den Adolf Hitler im September 1939 u. a.  an Philipp Bouhler richtete. Eine der Mordanstalten der T4-Aktion war Pirna-Sonnenstein mit 13.720 ermordeten Menschen.

Die Stadt Meerane geht nach derzeitigem Erkenntnisstand heute davon aus, dass insgesamt 33 Bürgerinnen und Bürger Opfer der nationalsozialistischen Lebensvernichtung waren.  Vier Schicksale werden mit den Stolpersteinen in Erinnerung gerufen, im Sinne des Künstlers Demnig, der aus dem Talmud zitiert: „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.“

(Verlegeorte sind: Kantstraße 34, Böhmerstraße 24, Innere Crimmitschauer Straße 12, Karlstraße 23, Philippstraße 52).

Der Künstler Gunter Demnig besuchte in der vergangenen Woche die Stadt Meerane und übergab die fünf weiteren Stolpersteine im Neuen Rathaus an Bürgermeister Professor Dr. Ungerer.