3. Oktober 2021: 31. Nationalfeiertag der Bundesrepublik Deutschland - Geleitwort von Bürgermeister Professor Dr. Lothar Ungerer

Rückblick: Als am 23. August 1990 die DDR-Volkskammer den Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 beschloss, war die staatliche Einheit vollzogen.
Die Volkskammer ging davon aus, dass bis dahin der „Zwei-plus-Vier-Vertrag“ abgeschlossen sei. Er wurde am 12.September 1990 von den zwei deutschen Staaten und den vier Siegermächten des Zweiten Weltkrieges in Moskau von den Staatenvertretern  Genscher (BRD), de Maizière (DDR), Baker (USA), Schewardnadse (Sowjetunion), Hurd (Großbritannien) und Dumas (Frankreich) unterzeichnet. Der „Zwei-plus-Vier-Vertrag“ (Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland) hat den Stellenwert eines Ersatz-Friedensvertrages zum Ende des Zweiten Weltkrieges. In ihm beendeten die vier Siegermächte nach 45 Jahren ihre Verantwortlichkeiten auf Berlin und Deutschland als Ganzes. Das vereinte Deutschland bekam seine volle Souveränität.
Da der Vertrag erst später in Kraft trat (15. März 1991), erklärten die vier Siegermächte am 1. Oktober 1990 in New York, dass sie ihre alliierten Vorbehaltsrechte und Verantwortlichkeiten bereits mit dem 3. Oktober 1990 aussetzen und damit Deutschland vorab die volle Souveränität zubilligen.
Damit wurde der 3.Oktober zum Tag der Deutschen Einheit.

Der Jahresbericht 2021 der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit, der am 7. Juli 2021 vorgelegt wurde, betonte die „innere Einheit Deutschlands als Daueraufgabe“. Dazu der Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, Parlamentarischer Staatssekretär Marco Wanderwitz: „In den letzten 30 Jahren ging es darum, die durch Teilung und Transformation bedingten Unterschiede zu verkleinern. Dafür hatten wir eine Regionalpolitik mit spezifischer Ausrichtung für die neuen Länder aufgelegt. Der Maßstab für die innere Einheit hat sich nunmehr verändert: weg von einer Perspektive des Auf- und Nachholens, hin zur gemeinsamen Gestaltung der Zukunft.“

Zum 3. Oktober 2021 möchte ich hervorheben, welche zentrale Rolle die Gemeinden und Städte im Prozess der „inneren Einheit Deutschlands und der gemeinsamen Gestaltung der Zukunft“ haben.
Dazu sei zunächst in Erinnerung gerufen, dass die Gemeinden und Städte in der DDR als „örtliche Organe der Staatsmacht“ und damit als „fester Bestandteil der einheitlichen, sozialistischen Staatsmacht, des Hauptinstruments des von der Arbeiterklasse und ihrer Partei geführten werktätigen Volkes zur weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft der DDR“ begriffen wurden.*

Mit der Gültigkeit des Grundgesetzes als Verfassung für den gesamtdeutschen Staat wurde vor 31 Jahren auf dem Gebiet der ehemaligen DDR die bürgerschaftliche Selbstverwaltung der Gemeinden, Städte und Kreise eingeführt. Ein Meilenstein in der demokratischen Erneuerung der Gesellschaft und des Staates. Seit dem 3. Oktober gilt das im Grundgesetz Artikel 28 verankerte Verfassungsrecht, „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.“

Die demokratische Erneuerung vor Ort ging einher mit einem radikalen Strukturwandel vor allem der Wirtschaft. Der Schaden von 40 DDR-Jahren mit Planwirtschaft und Abschottung vom gemeinsamen Markt der Europäischen Gemeinschaft und vom Weltmarkt war gewaltig. Vordringlich war deshalb der Aufbau der Innovationskraft, verbunden mit dem Aufstieg eines neuen Unternehmertums mit ihren Beschäftigten im Rahmen der Marktwirtschaft.

Ein Maßstab für die enorme Entwicklung ist das Bruttoinlandsprodukt**. Im Jahr 2020 betrug das Bruttoinlandsprodukt in Ostdeutschland 369,7 Mrd. Euro. Verglichen mit dem Jahr 1991 eine Steigerung um 262,4 Mrd. Euro! Berechnet auf jeden Erwerbstätigen steigerte es sich von 15.785 Euro (in 1991) auf 62.451 Euro (in 2020). In Sachsen beträgt der Wert 61.287 Euro.

Diese tolle Entwicklung zeigt die Kraft, die nach dem 3. Oktober von den Menschen vor Ort freigesetzt wurde. Sie anzuerkennen und wertzuschätzen ist gerade an einem Nationalfeiertag wichtig.

 

*Vgl. S. Petzold: Die Organe des Staatsapparats in vollziehend-verfügender Tätigkeit und die staatlichen Einrichtungen. In: Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft der DDR. Berlin (Ost) 1988, S.50

**Das Bruttoinlandsprodukt ist ein Maß für die wirtschaftliche Leistung einer Volkswirtschaft in einem bestimmten Zeitraum. Es misst den Wert der im Inland hergestellten Waren und Dienstleistungen (Wertschöpfung), soweit diese nicht als Vorleistungen für die Produktion anderer Waren und Dienstleistungen verwendet werden.