Volkstrauertag 2019: Gedenkstunde auf dem Friedhof Meerane am Ehrenmal des Zweiten Weltkrieges

Erinnerung, Besinnung und Mahnung – unter diesen Gedanken stand die Gedenkstunde der Stadt Meerane zum Volkstrauertag am 17. November 2019 auf dem Friedhof Meerane.

Mitgestaltet wurde die Gedenkstunde durch die Reservistenkameradschaft des Reservistenverbandes der Landesgruppe Sachsen – vertreten durch Leutnant der Reserve Janko Schubert, die Obergefreiten der Reserve Tino Werler und Christian Ligotzky, Stabsunteroffizier der Reserve Lars Schubert und Oberstabsgefreiten der Reserve Florian Dittrich – und der Katholischen Gemeinde St. Marien Meerane, Herrn Thomas Kratzmann, Vorsitzender des Kirchgemeinderates. Der Posaunenchor der Evangelischen Kirchgemeinde unter Leitung von Herrn Hartmut Kirste umrahmte die Gedenkstunde musikalisch.

Herr Pfarrer Christian Freyer von der evangelischen Kirchgemeinde St. Martin und Herr Stadtrat Uwe Horn, Leiter des Friedhofs Meerane, begleiteten die Gedenkstunde.

Zur Begrüßung verwies Bürgermeister Professor Dr. Lothar Ungerer zu Beginn der Gedenkstunde auf 100 Jahre Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Er führte dazu aus: „Es waren die Erschütterungen des Ersten Weltkrieges, die im Jahr 1919 zur Gründung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge durch heimkehrende Soldaten führten. Unter dem Eindruck des unvorstellbaren Ausmaßes an Zerstörung und Leid entstehen im gesamten Reichsgebiet Landes-, Bezirks- und Ortsverbände des Volksbundes, um die im Ausland gefallenen Soldaten zu bergen und Friedhöfe anzulegen.
Da viele Kriegstote nicht mehr aufgefunden werden und somit auch kein Grab erhalten, errichtet man in ihren Heimatgemeinden Denkmale zu ihrem Erinnern. Bei uns auf dem Friedhof und am Bürgergarten, in Seiferitz, Dittrich und Waldsachsen.

Der Volksbund schlug zudem vor 100 Jahren einen Volkstrauertag als Gedenktag für die getöteten deutschen Soldaten im Ersten Weltkrieg vor.  Dieser Tag sollte ein Zeichen der Solidarität derjenigen, die keinen Verlust zu beklagen hatten, mit den Hinterbliebenen der Gefallenen sein.

1922 fand die erste offizielle Feierstunde im Deutschen Reichstag in Berlin statt. Reichstagspräsident Paul Löbe sagte damals zur Botschaft des Volkstrauertages:

„Leiden zu lindern, Wunden zu heilen, aber auch Toten zu ehren, Verlorene zu beklagen - bedeutet die Abkehr vom Hass, bedeutet die Hinkehr zur Liebe, und unsere Welt hat Liebe not.“

In der Bundesrepublik Deutschland kümmert sich der Volksbund seit den 1950er Jahren im Auftrag der Bundesregierung um die Gräber deutscher Kriegstoter im In- und Ausland.
Außerdem betreibt er Nachforschung zur Identifizierung Gefallener. Die Suche nach gefallenen Soldaten ist noch immer nicht abgeschlossen. Mehr als 35.000 Anfragen erreichen jedes Jahr den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge.“

 Nach dem Verlesen des Totengedenkens, welches durch Bundespräsident Theodor Heuss 1952 eingeführt worden war, legten der Bürgermeister und die Reservistenkameradschaft Kränze am Ehrenmal ab, begleitet vom „Lied vom Guten Kameraden“ durch den Posaunenchor.

Totengedenken

„Wir denken heute an die Opfer von Gewalt und Krieg, an Kinder, Frauen und Männer aller Völker.

Wir gedenken der Soldaten, die in den Weltkriegen starben, der Menschen, die durch Kriegshandlungen oder danach in Gefangenschaft, als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben verloren.

Wir gedenken derer, die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden, Teil einer Minderheit waren oder deren Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde.

Wir gedenken derer, die ums Leben kamen, weil sie Widerstand gegen Gewaltherrschaft geleistet haben, und derer, die den Tod fanden, weil sie an ihrer Überzeugung oder an ihrem Glauben festhielten.

Wir trauern um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage, um die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung, um die Bundeswehrsoldaten und anderen Einsatzkräfte, die im Auslandseinsatz ihr Leben verloren.

Wir gedenken heute auch derer, die bei uns durch Hass und Gewalt gegen Fremde und Schwache Opfer geworden sind.

Wir trauern mit allen, die Leid tragen um die Toten, und teilen ihren Schmerz.

Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern, und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt.“

Seine Gedenkrede eröffnete der Bürgermeister mit dem Jahr 2019 an sich, das mit einer Vielzahl wichtiger Gedenktage die Errungenschaften wie die Brüche der wechselvollen Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert spiegelt:

„Wir feiern den 30. Jahrestages der Maueröffnung, wir begehen den 70. Geburtstag des Grundgesetzes, wir denken zurück an die Verabschiedung der Weimarer Verfassung vor 100 Jahren und wir erinnern uns heute dem Beginn des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 inmitten der nationalsozialistischen Diktatur mit dem Angriff Hitler-Deutschlands auf Polen.

Mit der Reichskanzlerschaft des Parteivorsitzenden der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) Adolf Hitler im Januar 1933 wurde erstmals in der Geschichte Rassismus zum Regierungsprogramm erhoben. Ausgang und Ziel der Weltanschauung und Staatsordnung des Nationalsozialismus war die (deutsche) „Volksgemeinschaft“. Unter der Parole „Gebt dem deutschen Volk wieder Lebensraum in der Welt“ (Hjalmar Schacht 1930) wurde der „Lebensraum“ zu einem weiteren Schlüsselbegriff des Nationalsozialismus. Bereits am vierten Tag seiner Reichskanzlerschaft (3. Februar 1933) forderte Adolf Hitler in einer Geheimrede vor den ranghöchsten Offizieren der Reichswehr, das Deutsche Reich müsse neuen „Lebensraum im Osten“ erobern und diesen „rücksichtslos germanisieren".

Verknüpft mit dem „Rassismus“ entstand der „Generalplan Ost“, der eine „Germanisierung“ Osteuropas zum Ziel hatte. Die Angriffe auf Polen (und später auf die Sowjetunion) dienten diesem angestrebten „Großdeutschen Reich“. Polen kapitulierte am 6. Oktober 1939. Die polnische Armee hatte den Tod von 120.000 Soldaten zu beklagen. 917.000 mussten den Weg in die Kriegsgefangenschaft antreten. Für Deutschland sind rund 10.600 Soldaten gefallen.“

„Nach der Kapitulation Polens“, so der Bürgermeister,  „setzte Adolf Hitler im Oktober 1939 den NSDAP-Funktionär Hans Frank als Generalgouverneur ein. Er verantwortete eine brutale deutsche Besatzungspolitik, die darauf abzielte, durch Vernichtung der polnischen Intelligenz das polnische Volk führerlos zu machen. Ihm zur Seite stand der von Hitler zum „Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums“ ernannte Reichsführer SS Heinrich Himmler, der mit rücksichtslosen Terrormaßnahmen Ausrottungspolitik betrieb und die „Germanisierung“ Osteuropas anstrebte. In der Zeit der deutschen Besatzung sind mehr als 6 Millionen Polen, darunter 3 Millionen polnische Juden ums Leben gekommen.

Heute leben Polen und Deutsche in Frieden und Freiheit und sie gute Nachbarn. Diese Nachbarschhaft ist ein Ergebnis der unglaublichen Chancen, die ganz Europa erhalten hat. Es ist die Chance, endlich mit den Fehlern der Vergangenheit zu brechen und die Zukunft gemeinsam zu meistern.“

In Gedenken derer, die verfolgt und getötet wurden, erinnerte der Bürgermeister – mit Blick auf die Reichspogromnacht vor 81 Jahren – an die kleine jüdische Gemeinde Meeranes, die nicht überlebt hat; ihre Spuren verlieren sich in den deutschen Konzentrationslagern Auschwitz, Buchenwald  oder Theresienstadt. Er sagte: „In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden in ganz Deutschland Synagogen in Brand gesteckt, Friedhöfe verwüstet, jüdische Wohnungen und Geschäfte zerstört,  Juden getötet und misshandelt. Verhaftet werden 27.000 jüdische Männer. Sie werden in nationalsozialistische Konzentrationslager gesperrt. Davon wurden  allein 9.815 Männer in das Konzentrationslager Buchenwald eingeliefert, darunter auch die jüdischen Männer Meeranes.

Die Verhaftungen wurden ohne Rücksicht auf das Alter durchgeführt. Dazu Eugen Kogon*: „Neben zehnjährigen Knaben sah man siebzig- bis achtzigjährigen Greise. Schon auf dem Weg vom Bahnhof Weimar bis nach Buchenwald wurden alle Zurückgebliebenen abgeschossen, die Überlebenden gezwungen, die oft blutüberströmten Leichen ins Lager mitzuschleppen. Am Tor stauten sich die Massen – immer je 1.000 kamen zugleich an -, weil von der SS nicht das große Gittertor, sondern nur ein kleiner Durchgang für je einen Mann geöffnet wurde. Neben diesem Durchgang standen die Blockführer und schlugen mit eisernen Ruten, Peitschen und Knüppeln auf die Leute ein, so dass buchstäblich jeder neuangekommene Jude Wunden hatte.“

(*Entnommen aus: Eugen Kogon. Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager. 1. Auflage 1945. Seite 229 folgende.
Buchenwald war im April 1945 das erste große Konzentrationslager, das unzerstört in die Hände der westalliierten Truppen (3. US-Armee) gefallen war. Eugen Kogon, Buchenwald-Häftling, fertigte für die Alliierten einen Bericht an, der das System der Konzentrationslager am Einzelfall Buchenwald objektiv dokumentiert.)

Betroffen waren die Chemische Fabrik Meerane und das Wohnhaus der Familie Wertheim in der Crotenlaider Straße. Der 79jährige Senior-Chef Joseph Wertheim wurde verhaftet. Seine Söhne, Felix Oskar Wertheim (*1895) und Walter Friedrich Wertheim (*1900) wurden in der Pogromnacht ebenso verhaftet und nach Buchenwald verschleppt.

Herr Alfred Born, der sein Bekleidungsgeschäft in der August-Bebel-Straße 63 führte, wurde in der Nacht misshandelt und verhaftet. Laden und Wohnung verwüstet. Auch er kam nach Buchenwald.

Ebenso Herr Georg Salzmann, der sein Schuhgeschäft in der August-Bebel-Straße 53 hatte. Er verstarb am 9.12.1938 an den Folgen seiner zu erduldenden Misshandlungen im Konzentrationslager Buchenwald.

Die Ereignisse vor 81 Jahren zeigen, wie die nationalsozialistische Diktatur und Gewaltpolitik im Namen der „Volksgemeinschaft“ ihre radikalen Ziele verwirklichte.“

In seiner weiteren Ansprache erinnerte und gedachte der Bürgermeister den gefallenen Soldaten und allen Kriegssterbefällen beider Weltkriegen: „Blicken wird in die Jahre 1918/1919. Über 1000 Meeraner Männer kehrten aus dem Ersten Weltkrieg nicht zurück. Sie starben auf den Schlachtfeldern Europas. Alle ihre Namen sind in den Gedenkstätten unserer Stadt, zu lesen.

Blicken wir in das Jahr 1945. Nach einer Zahlenermittlung aus dem Jahr 1946 hatte Meerane 840 gefallene Soldaten zu beklagen. Ihre Namen wurden nicht erfasst. Seit vielen Jahren es mir ein großes Anliegen, die Kriegssterbefälle zu dokumentieren. Den „840“ ihre Namen für uns heute zu geben und damit auch ihre Würde.
Dank der akribischen Arbeit des Standesamtes und dem  Archivamt  der Stadtverwaltung, die vor wenigen Wochen endete, muss die Zahl aktualisiert werden: Aus 840 wird 935. Dokumentiert sind jetzt 919 Meeraner Kriegssterbefälle und 16 Kriegssterbefälle aus Waldsachsen. 

Die letzte Beurkundung erfolgte am 16.07.2013 für Herrn Werner Kurt Josef Fabian, Unteroffizier, wohnhaft am Fuchsberg, Sterbedatum zwischen dem 22.04. und 03.05.1945 in Mückendorf (Provinz Brandenburg), er wurde 18 Jahre alt.

Die erste Beurkundung erfolgte am 02.10.1939 für den Gefreiten Heinz Schulz (Bornemannstraße 1). Sein Sterbedatum war der 20.09.1939, im Lazarett Neuwied. Er wurde 23 Jahre alt.

Weitere ausgewählte Schicksale sind:
Herr Albert Heinz Wehnert (Hospitalstraße 21), Schütze, gefallen in Wilnow/Polen durch Kopfschuss am 25.09.1939 im Alter von 23 Jahren.
Herr Erhard Oskar Zemisch (Dittrich Nr. 3), Matrosenobergefreiter, verstorben im englischen Kanal am 5.10.1939 beim Untergang von U.12, im Alter von 22 Jahren.
Herr Rolf Albert Salzbrenner (Philippstraße 70), Grenadier, am 19.01.1943 seinen Wunden (Frost) erlegen, im Lazarett Rostow, im Alter von 19 Jahren.
Das Kleinkind Uwe Schlott (Johannisstraße 21), verschüttet durch Bombenabwurf, Johannisstraße 21 am 14.02.1945, im Alter von 1 Jahr.
Der Gefreite Paul Johannes Heidrich (von Beruf Schneider, verheiratet) verstarb am 20.05.1945 im 50. Kriegsgefangenhospital in Bad Kreuznach im Alter von 59 Jahren.
Dokumentiert ist auch der Tod des französischen Kapitän Pierre Fortunade am 21.06.1945 im Reservelazarett Tännichtschule oder des Sanitätssoldaten Adolf Prohaska, der am 20.04.1945 in Seiferitz an der Reichsautobahn im Gefecht mit den anrückenden Alliierten erschossen wurde.
Wir haben uns vorgenommen, zum Volkstrauertag 2020 allen 935 Kriegssterbefälle unserer Stadt in Form einer Sterbetafel hier am Ehrenmal des Zweiten Weltkrieges würdig  zu gedenken.“

Der Volkstrauertag steht auch für die Trauer um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage. Der Bürgermeister richtete den Blick auf die Angehörigen der Bundeswehr und ihrer Beteiligung an Friedensmissionen in der Welt: „

Deutschland stellt sich damit der Verantwortung, die die internationale Staatengemeinschaft von unserem Land erwartet. Denn nicht beiseite zu stehen, sondern Verantwortung zu übernehmen, ist eine der Lehren unserer eigenen Geschichte.
Aus der noch nationalstaatlich geprägten Gründerzeit des Jahres 1949 unseres Staates (damals unserer beider Staaten) ist eine globalisierte, in sich vernetzte und hoch komplizierte Welt geworden.

Die Verantwortung für das Gemeinwohl besteht nicht mehr in Wahrung eigener nationaler Interessen, sondern kann nur im Blick auf die ganze Welt richtig wahrgenommen werden. Das fordert die helfende Tat.
Gestatten Sie mir deshalb einen kurzen Blick zurück. Am 12. November 1955 hat der erste Bundesminister der Verteidigung (Theodor Blank) in Bonn den ersten 101 freiwilligen Soldaten der Bundeswehr die Ernennungsurkunden ausgehändigt. Der Tag war bewusst gewählt. Er war der 200. Geburtstag des preußischen Heeresreformers Gerhard von Scharnhorst. Damit  wollten die Gründer der Bundeswehr an seinen Leitgedanken anknüpfen, dass die Bürger für ihren Staat einstehen sollen. Diese Idee wurde in der Bundeswehr zur Gundlage: Die „Innere Führung“ mit dem „Staatsbürger in Uniform“.  Deshalb wurde sie fest in der parlamentarischen Demokratie verankert und als Armee des Parlaments, des Deutschen Bundestages, in ein Bündnis freier Staaten integriert. Für die deutschen Soldatinnen und Soldaten sind es verantwortungsvolle und gefährliche Einsätze, bei denen sie immer wieder in Situationen kommen, in den sie ihre Gesundheit und ihr Leben einsetzen.

Die Soldatinnen und Soldaten verrichten ihren Dienst im Auftrag unseres Volkes, im Dienst für Frieden, Recht und Freiheit. Gedenken, Trauer und Erinnerung hat dadurch eine veränderte Tradition. Im Focus stehen heute Frauen und Männer, die im Einsatz für Frieden, Recht und Freiheit ihr Leben eingesetzt und verloren haben. Der Toten zu gedenken ist eine Respektbekundung des demokratischen Staates und seiner Bürgerinnen und Bürger für die, die sich als Staatsbürger in Uniform für Menschenwürde und Menschenrechte einsetzen.

Die Werte des deutschen Grundgesetzes sind auch ihr Vermächtnis: Freiheit und Menschenwürde. Artikel 1: „Die Menschenwürde ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Bürgermeister Professor Dr. Ungerer dankte am Ende der Gedenkstunde allen Gästen für ihr Kommen und der Reservistenkameradschaft, Herrn Thomas Kratzmann, dem Posaunenchor und der Friedhofsverwaltung für die Mitgestaltung. In seinem Schlussgedanken verwies er darauf, dass die

rechtsextreme Ideologie die Zerschlagung des Nationalsozialismus 1945 überlebt hat: „Sie ist in unterschiedlichen Strukturen sichtbar. Dazu zählen auch rechtsextreme Parteien. Deren Programme stehen in Widerspruch zu den Prinzipien unserer Verfassung, der Menschenrechte, der Rechtsordnung der Bundesrepublik und zu europäischen und internationalen Verpflichtungen. Ich gewinne zunehmend den Eindruck, dass diese Parteien mit ihren Feindbildern (Stichwort Volksfeinde) die Demokraten gegeneinander ausspielen wollen, um von den eigenen verfassungsfeindlichen Zielen abzulenken. Eine Antwort darauf, gab Friedbert Pflüger (MdB): „Vielleicht erfordert die Abwehr der Aufklärungsgegner von rechts in Zukunft eine sehr viel stärkere Zusammenarbeit derjenigen Kräfte in allen politischen Lagern, die von der offenen Gesellschaft und liberalen Demokratie des Westens zutiefst überzeugt sind.“ Dieser Gedanke aus dem Jahre 1994 – 25 Jahre zurück – gilt heute mehr denn je. Die Demokratie in Deutschland wird durch den Rechtsextremismus nicht wirklich in Gefahr gebracht. Aber wir haben allen Anlass, wachsam und entschlossen zu handeln. Niemand, meine Damen und Herren, mit Verstand, mit Erfahrung und Gesichtsbewusstsein wird bestreiten, dass das Grundgesetz mit seiner freiheitlich demokratischer Grundordnung die unverzichtbare, schützenswerte, aber auch die zu gestaltende Grundlage unseres Zusammenlebens ist. Wir haben in unserer Gesellschaft vieles gewonnen: mehr Freiheit, mehr Toleranz, mehr Selbstbestimmung. Das darf aber nicht dazu führen, dass Wichtiges verloren geht, vor allem Respekt und Anstand. Wir stehen und arbeiten gemeinsam für ein friedliches Deutschland, in dem wir frei und sicher leben können. Der tatkräftige Respekt vor der Lebensvielfalt und der Unantastbarkeit der Würde aller Menschen ist unsere Antwort auf Hass und Gewalt. Eine Antwort, die die Werte der Demokratie stärkt.“

Ansprache vom Pfarrgemeinderatsvorsitzenden Herrn Thomas Kratzmann:

Sehr geehrte Damen und Herren
aus Politik und Gesellschaft,
liebe gedenkende Meeraner Bürger,
Schwestern und Brüder im Glauben.

Wir stehen heute 
auf unserem Meeraner Friedhof
anlässlich des heutigen Volkstrauertages!

Wir wollen miteinander inne halten,
wir wollen gedenken,
ja wir wollen gemeinsam beten
für die Opfer der beiden letzten Weltkriege,
und für die Opfer der Nachkriegszeit,
für die Opfer der Vertreibungen und Verschleppungen,
für jegliche Gewalt und Ungerechtigkeit,
die Menschen einander angetan haben.

Wir wollen aber auch festhalten,
dass jeder Krieg, jede Konfrontation
eine Niederlage der Menschheit, der Gesellschaft und den Verantwortlichen ist.

Wie wird ein Krieg beginnen? Meist nur aus einer einzelnen Person welche im zusammen sein mit anderen Menschen Wut und Verachtung aufbaut. Einzelne Personen suchen andere Personen, welche ähnliche negative Erfahrungen in ihrem persönlichen Umfeld gefunden haben und schließen sich zusammen, um weiter Hass und Verachtung zu säen. Irgendwann wird es eine Demonstration oder Rede geben, in der Andere auf ideologischer Weise negativ beeinflusst werden. Gerade in der Judenverfolgung ist dieses bereits über viele Jahre geschehen, was man in den mittelalterlichen Bilder der Judensau heute noch sehen kann. Irgendwann wird aus einer Gruppe eine Partei und damit gesellschaftsfähig. Versuche mit seiner Ideologie an die Macht zu kommen gab es schon in vielerlei Hinsicht. Dieses sieht man in dem Putschversuch von Hitler und Ludendorff. Gerade an einem denkwürdigen Tag der Demokratie wie der 9. November  1923. Volksverhetzende Ideologien welche in der aufstrebenden NS Zeit, viele gemeinsam und als große Gruppe bereits schon gewaltsam in den Krieg zogen. Bataillones welche zu Tausenden angeführt, gerade junge Männer aus ihrer gewohnten Lebensweise herausrissen, um  fernen Ländern Tod und Vernichtung zu bringen. In einen fernen Schützengraben mit einer Kompanie überleben zu können, wird sehr schwer gewesen sein, nachdenkend darüber was der Gegenüber in ähnlichem Überlebenskampf denken und fühlen wird, wenn eine derartige Lage überhaupt möglich sein konnte. Kameraden, welche an der Seite bereits gefallen sind, werden so manchen im Angesicht seines eigenen Todes rückblickend gebracht haben, mit den Gedanken an Frau und Kinder zu Hause, vielleicht eigene Kindheitserinnerungen. Wenn man allein im Schützengraben sitzt, ohne jede Hoffnung dieser Miesere zu entkommen, wird so mancher an seine Beziehung zu Gott zu einem Gebet gekommen sein, wenn er dazu bereit war. Dieses könnte ein einfaches Vaterunser sein. Ich möchte sie einladen dieses Gebet im Gedenken an alle Toten der beiden Weltkriege und der Kriege der zurückliegenden Jahre. Ein Vater unser ist ein Gebet welches Jesus uns Lebenden gab. Wir können es nur zum mahnenden Gedenken an die Verstorbenen beten.

1944 schrieb Dietrich Bonhöfer in bereits langjähriger Haft und als letzten überlieferten Text vor seiner Hinrichtung, die Worte „von Guten Mächten wunderbar geborgen erwarten wir getrost was kommen mag, Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Ein Lied welches nach vorn in die Zukunft gerichtet ist, auch wenn es keine Zukunft geben mag. Diese Zukunft konnte Dietrich Bonhöfer und viele Millionen nicht leben. Wir können es jetzt, in dieser Zeit, erleben.

Diese Gedenkstunde
soll zum Ausdruck bringen,
dass wir bemüht sind
eine neue Menschheit zu gestalten,
die dann immer mehr und bewusster
Frieden und Solidarität,
Liebe und Barmherzigkeit leben kann,
die immer intensiver den Dialog zwischen den Menschen,
Rassen, Kulturen und Religionen fördert.

„Nichts ist mit dem Frieden verloren. Alles kann verloren sein mit dem Krieg“.

Diese Worte kurz vor dem Ausbruch des II. Weltkrieges
vom Papst Pius XII ausgesprochen,
wurden damals nicht gehört.
Die Folgen trägt unsere Welt bis heute.
Die Wunden sind immer noch nicht ganz geheilt.

Fürbitten welche wir sprechen sind immer in eine Zukunft gerichtet mit den Gedanken des Rückbesinnens.

Bitten wir Gott:

 für die Zukunft, für eine Welt ohne Kriege und Konflikte
– wir bitten dich erhöre uns.

Wir bitten dich für gute führende  Politiker, schenke Ihnen die Kraft Frieden zu schaffen. – wir bitten dich erhöre uns.

Wir bitten dich für uns, dass wir erkennen wenn einzelne in der Welt Hass säen .
– wir bitten dich erhöre uns.

Wir bitten dich, dass wir unseren Gegenüber in Würde und Anstand betrachten können.
– wir bitten dich erhöre uns.

Wir bitten dich für alle Toten der Weltkriege und der Konflikte auf der Welt und in der nahen Vergangenheit, schenke allen dein ewiges Leben.
 - wir bitten dich erhöre uns.

Bei gutem Willen
und bei Achtung der gegenseitigen Rechte
kann das Europa unserer Tage
immer mehr zu einem gemeinsamen Haus
vieler Völker, Rassen und Religionen heranwachsen,
in dem Toleranz und Solidarität,
Wohlstand und Gerechtigkeit herrschen.

Wir wollen Leid und Ungerechtigkeit,
die von  Menschen verursacht wurden,
nicht vergessen.
Kein Volk darf seine Geschichte
vergessen oder verdrängen.
Wir wollen vielmehr aus der Geschichte lernen
und vor allem mit neuer Hoffnung
in die Zukunft schauen,
damit wir zu Trägern einer guten Welt werden.

Jeder von uns kann mit den Talenten,
die er bekommen hat, ein wenig zu einer besseren Zukunft beitragen.

Möge uns dazu der gute Gott,
mit seinem Segen begleiten.

So segne uns Gott der Allmächtige.

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes.

Amen.

Gehen wir hin und bringen seinen Frieden.