Zum neuen Jahr 2022

Es kommt nicht darauf an,
die Zukunft vorauszusagen,
sondern darauf,
auf die Zukunft vorbereitet zu sein.

Perikles

Sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger,

das Jahr 2021 neigt sich dem Ende zu. Ich wünsche Ihnen einen guten Start ins neue Jahr und ein erfolgreiches 2022. Unsere liebenswerte Stadt startet in ihr 848. Jahr entsprechend der ältesten uns bekannten urkundlichen Erwähnung.

Es ist heute nicht daran zu zweifeln, dass der von Chronisten der böhmischen Historie (so etwa Gerlach, erster Abt des Klosters Mühlhausen/Südböhmen, gestorben um 1228 oder Pulkowa um 1375) genannte Ort „MER in Teutonia, praedium uxoris suae“ (Besitztum seiner Gemahlin) unser heutiges Meerane ist. Diese erste urkundliche Erwähnung erfährt Meerane für das Jahre 1174, in dem der böhmische König Vladislav II am 18. Januar in Meerane starb. Er regierte als zweiter böhmischer König von 1158 bis 1172. König Vladislav II musste sich nach einer Thronfolgeauseinandersetzung mit Kaiser Friedrich I (Barbarossa) 1173 aus Prag absetzen und fand in Meerane, dem Besitztum seiner Gemahlin Judith (Schwester des Landgrafen Ludwigs des Eisernen von Thüringen) Zuflucht.

Unsere Herausforderungen für 2022 werden nicht kleiner. Nach wie vor bestimmt die Corona-Pandemie das Geschehen. Und die wichtigsten Transformations- und Stadtentwicklungsaufgaben bleiben auf der Tagesordnung. In diesem Sinne widmen sich ausgewählte Bilder des Jahres 2021 und meine Gedanken zum Jahreswechsel strategischen Aufgaben.

Zunächst ist es mir eine Herzensangelegenheit, Ihnen für die vielen freundlichen Worte und Grüße zu danken, die Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, für unsere Stadt und Ihren Bürgermeister zu den Weihnachtstagen und zur Jahreswende gefunden haben. Mit Wilhelm von Humboldt antworte ich Ihnen:


„Im Grunde sind es immer die Verbindungen mit Menschen,
die dem Leben seinen Wert geben.“

Aufgreifen möchte ich zum Jahreswechsel den Leitgedanken „Projekt Ermutigung“ des Publizisten und Zukunftsforschers Herrn Robert Jungk. Robert Jungk war 1948 Korrespondent bei den Vereinten Nationen. Er gründete damals das „Good News Bulletin“, in dem nur gute oder besser: ermutigende Nachrichten abgedruckt wurden.
Er begründete es damals so, dass über die geduldige Aufbauarbeit der Vereinten Nationen so gut wie nie berichtet wurde. Dazu führt er aus: „Die Einseitigkeit der Medien, nur auf Katastrophen und Sensationen zu reagieren und konstruktive Aufbauarbeit zu ignorieren, ist ja ein Merkmal der Publizistik von Anfang an.“ Seine hoffnungsgebenden Nachrichten standen keineswegs gegen kritische und aufdeckende Berichte. Robert Jungk: „Ich denke, dass bis heute in unseren Medien dieser Aspekt fehlt – es gibt trotz aller Krisen, Katastrophen und Sensationen auch Hunderte von Projekten, Vorgängen und Initiativen, die dem etwas entgegensetzen. So entsteht nicht nur ein falsches Bild, es werden auch die Menschen entmutigt, die Ermutigung brauchen.“

Es scheint, dass in Folge der Corona-Pandemie einzelne Bürgerinnen und Bürger dem Staat nicht mehr vertrauen. Der Staat ist für sie nicht mehr glaubwürdig, nicht mehr gegenwärtig, nicht mehr ermutigend und abstrakt.

Kommunale Institutionen dagegen sind mit ihrer Bürgerschaft alltagsbezogen: Alltagssituationen und Alltagssorgen prägen unser kommunales Handeln. Wir leben als Leistungsträger stets mit den Erfahrungen der Überlastung und Überforderung durch den Staat. Das ist Alltag.
Wir suchen aber im Alltag unseres Arbeitens nicht den scheinbar bequemen Weg, die Probleme beim Staat abzuladen. Das würde unserem Anspruch der kommunalen Selbstverwaltung, der eigenverantwortlichen Regelung unserer örtlichen Angelegenheiten nicht gerecht werden. Es würde auch unserem Anspruch einer konsensorientierten Demokratie vor Ort, der örtlichen Gemeinschaft nicht gerecht werden.

Um nun den Alltagssituationen und Alltagssorgen sowie der konsensorientierten Selbstverwaltung zu entsprechen, ist das demokratische „Mitteprinzip“ nach Aristoteles unser Handlungs- und Entscheidungsprinzip. Das wiederum ist nicht maßgeblich vom (staatlichen) Geld abhängig. Vielmehr von der Frage, wie effizient eigentlich gearbeitet wird. Verstand und Vernunft sind dabei Werkzeuge, mit denen sich Probleme lösen lassen.

Wir wissen, dass Neuartiges (wie Corona) stets zur Folge hat, dass es keinen Rückgriff auf Erfahrungen gibt. Wir müssen dazu lernen, um nicht in Skepsis, Zweifel, Sorge oder Angst zu verharren. Diese geben uns keine Sicherheit, die wir benötigen, um dem Neuartigen, der Veränderung, dem Wandel gerecht zu werden. Es ist ein steter Wettlauf zwischen Lerngeschwindigkeit und Veränderungsgeschwindigkeit.

Das (demokratische) Mitteprinzip kann damit leben, dass es Minderheiten gibt, die sich unter keinen Umständen einbinden lassen. Das unterscheidet im Übrigen die Demokratie von Diktaturen oder Autokratien, die Minderheiten eben nicht tolerieren. Das demokratische Mitteprinzip hält Widersprüche und verschiedene Meinungen aus.

Solange Corona den vergleichbaren Status einer Wintergrippe noch nicht erreicht hat, ist es Aufgabe eines jeden Menschen, sich selbst und andere vor der Krankheit zu schützen. Deshalb wird sich auch im kommenden Jahr die Stadt Meerane wieder in die Pflicht nehmen, Angebote für Schutzimpfungen zu unterstützen. Wir wollen weiterhin den Sinn für Gemeinschaft und Hoffnung verbreiten, anstatt zu verzweifeln. Die Abwertung von Gemeinsinn zugunsten von isolierter Eigenleistung und Eigennutz steht im eklatanten Widerspruch zu den Entwicklungsprozessen des gesellschaftlichen Lebens. Es wird dann zum Plus-Summen-Spiel, wenn der Vorteil des einen mit dem gleichzeitigen Vorteil des anderen verknüpft ist.

Neue Anbindung B 93 / S 288 Industriepark Meerane, August 2021.

Das Plus-Summen-Spiel ist auch ein wirtschaftspolitisches Grundprinzip. Wenn wir im Jahr 2021 den Gewerbe- und Industriestandort Meerane als Zukunftsraum für Unternehmen bezeichnen, dann ist dies das Ergebnis von unternehmerischen Initiativen und kommunal-staatlichem Engagement zugleich. Eine zukunftssichere Gestaltung geht weit über die klassische Inanspruchnahme von Boden hinaus.
Vor dem Hintergrund eines begrenzten Flächenangebotes in der Region stieg das Interesse auf der Nachfrageseite insbesondere aus der Automobilindustrie in unserer Stadt an. Investierende sorgten mit hoher Professionalität für die Flächenaktivierung. Gefördert wurden und werden auch künftig neue Mobilitätslösungen, moderne technologische Infrastruktur (z. B. Glasfasertechnologie) und klimaangepasste Infrastruktur (z. B. Energiegewinnung).

Symbolischer Abschluss der Tiefbauarbeiten Glasfaserausbau in Meerane, Juli 2021.

Bachüberbauung Dittrichbach im Bereich Altmarkt/Am Merzenberg, Februar 2021.

Gewerbegebiet / Industriepark Meerane, Juni 2021.

Das Plus-Summen-Spiel ist auch ein Grundprinzip der Stadtentwicklung. Im Jahr 2021 wurden Weichen der Stadtentwicklung gestellt, die weit in die Zukunft reichen. Es sind gemeinwohlorientierte Impulse, die für die Entwicklung der Stadtgesellschaft ermutigend sind.

Abbruch ehemalige Segeltuchfabrik / Technische Textilien, Oktober 2021.

Sanierung Hockeyplatz, Einweihung September 2021  (Bild links); Neubau Schulsportplätze der Grundschulen Lindenschule (Foto rechts) und Friedrich-Engels-Schule.

Volkshaus Meerane: Fertigstellung Gebäudesanierung (Fassade, Dach) und Einweihung der modernen Mehrzweckhalle, Oktober 2021.

Übergabe Tanklöschfahrzeug TLF 4000 an die Feuerwehr Meerane, 5. März 2021; Neugestaltung "Platz an der alten Weinbrennerei", Mai 2021.

Erweiterung "Meeraner Meerchenwald" nach Abbruch der Kammgarnspinnerei Meerane - erste Bürgerpflanzungen November 2021; Abschluss Gebäudeabbruch Hochbau ehemalige Segeltuchfabrik / Technische Textilien, Dezember 2021.

Fertigstellung neue Freizeitanlage am Bahngelände mit Pumptrack, Soccer-Court, Skate-Bowl und Boulderwand, Juli/August 2021. Fotonachweise: Stadtverwaltung Meerane, Fotoagentur pro picture, Strata Bau Meerane


Gegen Jahresende darf man tief ausatmen, sich zurücklehnen, es sich beschaulich gut gehen lassen.

Und zum neuen Jahr muss man tief einatmen, muss aufstehen und den neuen alten Aufgaben in Augenhöhe gegenübertreten.
Deshalb gilt: Wir müssen uns auf das Wesentliche konzentrieren. Wir bündeln unsere Stärken und nutzen sie zum kraftvollen Durchstarten. Die scheidende Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel gab beim Großen Zapfenstreich ihr zu Ehren ihrem Amtsnachfolger und uns allen den Ratschlag „mit Fröhlichkeit im Herzen“ an die Arbeit zu gehen.

In diesem Sinne Ihnen ein erfolgreiches, gesundes und friedliches Jahr 2022.

Herzlichst Ihr
Bürgermeister Lothar Ungerer